Vierundsiebzig von Ronya Othmann

Vierundsiebzig ROnya Othman Rezension Shortlist deutscher Buchpreis

„Vierundsiebzig“ lag schon ein paar Wochen bei mir und als die Nominierung für den deutschen Buchpreis kam, hat mich die Neugier gepackt und ich habe mir das Buch geschnappt. Wie ich es fand und, ob es für mich als Gewinner des Buchpreises in Frage kommt, möchte ich euch in dieser Rezension verraten.

Alle Infos zu

Vierundsiebzig

Werbung (Rezensionsexemplar)

Autorin: Ronya Othmann
Verlag: Rowohlt
Erschienen: 12.03.2024
Seiten: 512
Klappentext:
Nach ihrem Debüt Die Sommer legt Ronya Othmann den zweiten Roman vor. Sie will eine Form finden für das Unaussprechliche, einen Genozid, den vierundsiebzigsten, verübt 2014 in Shingal von Kämpfern des IS. Vierundsiebzig ist eine Reise zu den Ursprüngen, zu den Tatorten: in die Camps und an die Frontlinien, in die Wohnzimmer der Verwandten und von deutschen Gerichtssälen weiter in ein êzîdisches Dorf in der Türkei, in dem heute niemand mehr lebt.

Meine Meinung zu „Vierundsiebzig“

Ronya Othmann begibt sich in ihrem Buch „Vierundsiebzig“ in die Geschichte der Jesiden und den Völkermord, den der IS 2014 an ihnen verübt hat. Dabei erzählt sie von einer Glaubensemeinschaft, deren Mitglieder schon oft um ihr Leben fürchten mussten. Auch ihr Vater und sie selbst irgendwie auch gehören der Gemeinschaft an(dadurch, dass ihre Mutter Keine ist, gilt sie offiziell nicht als Êzîdin). Es wird von früheren Reisen, beispielsweise in die Türkei, erzählt. Für den Roman reiste sie mit ihrem Vater auch in die Gebiete, in denen der IS damals wütete. Zum Teil sind dort heute noch militärische Gruppen stationiert. Während ihrer Reise trifft sie Verwandte, Bekannte und Andere, die ihr ihre grausamen Geschichten erzählen. Manchmal muss sie auch ihre Identität verschweigen, da der Hass gegen die Jesiden in manchen Gebieten immer noch besteht.

Das Buch besteht aus der Geschichte früherer Morde an den Êzîden, der Reise der Autorin, den Geschichten die ihr von den Menschen dort erzählt wurden, ihren eigenen Gedanken dazu und vielen Fakten zu dem Völkermord und so vielen mehr. Beispielsweise erzählt sie auch von Gerichtsverhandlungen und der Wahrnehmung im Ausland. Immer wieder schafft sie es, dass man sich fühlt als würde man direkt neben Ronya Othmann im Auto sitzen oder am Tee trinkend am Gespräch teilhaben. Durch die genauen Beschreibungen der Umgebung und den Landschaften, fühlte ich mich als Leser richtig abgeholt. Der Roman ist eine Sammlung aller Ergebnisse ihrer Recherche, Reisen und Verwandschaftsbesuchen.

Bei dem Thema weicht sie manchmal ab und bleibt doch dran. Durch die Orte, an denen der Genozid an den Jesiden stattfand, erzählt sie auch immer wieder von anderen Gemeinschaften, die Ähnliches dort erlebt haben. Wie zum Beispiel die Armenier. Für mich sind diese Verzweigungen ein wichtiger Teil des Buches. Es zeigt, wie viel Grausamkeit, es gegenüber so vielen Gruppen gibt. Othmann erwähnt öfter, dass es ihr in verschiedenen Situationen schwerfällt einen Rahmen für ihren Roman zu finden. Auch dazu passen diese Abzweigungen in der Erzählung.

Neben all den grausamen Lebensgeschichten, die in diesem Buch geteilt werden, schafft es die Autorin auch die schönen Seiten der Heimat ihrer Verwandten hervorzuheben. Mit wunderschönen Landschaftsbeschreibungen und den schönen Augenblicken mit der Familie verwebt sie Hoffnung in den Roman.

Sie bringt dem Leser auch die Religion der Jesiden bei. Erklärt Bräuche und Symbole und kommt ihrer Religion während der Reise näher.

Besonders fand ich in diesem Buch auch die Auseinandersetzung mit der Sprache und dem Schreibprozess. Immr wieder stellt sich Othmann der Frage, wie man eine solche Grausamkeit in Worte fasst. Wie kann man das Leid so vieler Menschen in Worte fassen? Sie lässt den Leser am Schreibprozess teilhaben. Erzählt welche Worte sie streicht, wie sie zwischen Vormulierungen abwägt und von den Problemen, die ihr während des Schreibens begegnen – Wann findet ein Buch das Ende, bei dessen Thema es tausende Geschichten voll Leid zu erzählen gibt, wenn die Probleme noch nicht vollständig beseitigt sind, und der Hass immer noch anhält?

Fazit

Diese Rezension ist mir wirklich schwer gefallen. In Worte zu fassen, wie mich dieses Buch berührt hat, ist einfach schwer. Es waren für mich nicht nur die Schicksale und die Auseinandersetzung mit der Geschichte, die mich überzeugt haben, sondern vor allem die sprachliche Auseinandersetzung und die Teilhabe am Schreibprozess.

Es ist ein wichtiges Buch, bei dem man so viel lernen kann und über Schicksale und Augenzeugenberichte erfährt. Ein Buch wie „Vierundsiebzig“ habe ich noch nie gelesen und über Êzîden und ihre Geschichte habe ich vorher so gut wie nichts gewusst.

Die Nominierung für den deutschen Buchpreis, kann ich nicht nur zu 100% verstehen, sondern hoffe auch von ganzem Herzen, dass Ronya Othmann mit „Vierundsiebzig“ gewinnen wird.

Bitte lest dieses Buch. Es ist wichtig und trotz aller Grausamkeit angenehm zu lesen. Da durch schöne Momente und Zigarettenpausen immer wieder Momente der Ruhe und/oder Hoffnung entstehen.


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