In den letzten Wochen ist man auf Bookstagram und Booktok um ein Thema gar nicht mehr herum gekommen, nämlich die Frage „Ist Lesen politisch?“. Am Mittwoch wollte ich mich eigentlich in einer Instagramstory zu dem Thema äußern. Mir ist aber aufgefallen, dass ich in diesem Format nicht genug Platz habe, um alle meine Gedanken zum Ausdruck zu bringen, deswegen schreibe ich jetzt diesen Blogbeitrag. Dies ist kein top recherchierter Beitrag, sondern eine Sammlung meiner Gedanken und meiner Meinung.
Sind Bücher politisch?
Um euch meine Einstellung zu dem Thema nahe zu bringen, möchte ich erst einmal darüber reden, ob Bücher an sich politisch sind.
Egal, welches Genre man liest, man kommt nicht um Politik herum. Egal, wie Fiktiv eine Geschichte ist, ein bisschen Realität findet sich trotzdem. Bei manchen Büchern geht es direkt um politische Themen, wie bei Sachbüchern, Dystopien, oder Biographien, bei anderen ist es ein bisschen subtiler. Auch in Büchern, die viele für reine Unterhaltung lesen geht es meist, wenn auch nur minimal, um politische Themen. Dabei muss es nicht direkt um Anordnungen der Regierungen oder politische Systeme gehen, auch gesellschaftliche Themen sind politisch. Auch gesellschaftliche Themen wie Ungerechtigkeit, Sexismus und Rassismus hängen mit Politik zusammen.
Viele Creator, die der Meinung sind lesen sei nicht politisch, lesen vorrangig New Adult Romances und Fantasy Bücher, deswegen möchte vor allem bei diesen beiden Genres erklären, warum ich auch Diese für politisch halte.
Bei Fantasyromanen ist die Politik meiner Meinung nach ein offensichtler Faktor. Zu einem guten World Building gehört auch ein politisches und gesellschaftliches System in dem die Menschen oder Wesen leben. Dabei lassen sich häufig Parallelen zur realen Welt finden. So auch in dem letzten großen Fantasyhype „Fourth Wing“. Eine große Frage dort ist beispielsweise der Grenzschutz. Außerdem treten in Fantasyromanen häufig auch direkt politische Aktuere auf, wie zum Beispiel Könige. Fantasy ohne Politik ist also kaum möglich.
Auch in den meisten New Adult Romanen kommt man nicht mehr um politische Themen herum. Ich kenne super viele Romane, in denen beispielweise der Naturschutz oder Rassismus eine große Rolle spielen. Oder in „Save me“ haben wir das Klischee eines reichen priviligierten Erben und einer Stipendiatin, die sich stets Sorgen machen muss, sich ihre Ausbildung nicht zu leisten. Das sind die Auswirkungen von Bildungspolitik.
Ich könnte hier noch etliche weitere Beispiele nennen, aber ich denke mein Punkt ist klar geworden. In jedem Buch findet sich mindestens ein Hauch Politik. Wenn man davor seine Augen verschließt, verschließt man seine Augen auch vor einem Teil des Werkes.
Kann man also unpolitisch lesen?
Für mich lautet die Antwort klar: nein! Ich bin der Meinung zum Lesen eines Buches gehört auch das Gelesene zu reflektieren und darüber nachzudenken. Bei mir passiert das ganz automatisch. So komme ich doch eigentlich gar nicht umhin mir auch über die politischen Themen Gedanken zu machen.
Dazu kommt noch das Bücher auch ein wichtiges Medium für die Bildung und Meinungsbildung ist. Bücher sind oft ein erster Zugang zu einem Thema. Schon öfters hatte ich mein Buch in der Einen und mein Handy in der anderen Hand um Schauplätze, Personen, Religionen oder politische Geschehnisse zu googlen, weil ich vorher noch nie davon gehört hatte oder keine Details kannte. Bücher können mit der Art wie Weise mit ienem Thema umgehen auch eine Enttabuisierung voranbringen, wenn beispielsweise offen mit dem Thema Vergewaltigung umgegangen wird, wie in „Deeply“ von Ava Reed. Oder einen auf andere Sichtweisen bringen, wie wenn man eine Geschichte aus der Sicht einer ganz anderen Perspektive als der Eigenen liest.
Wir sollten also auch die politische Wirkung und die Chancen und anders herum auch Risiken nicht unterschätzen. So kann eine schlechte Repräsentation eines Sterotypen auch ein Klischee unterstützen. Und wenn wir schon bei der Wirkung sind kommen wir zum direkt zum nächsten Punkt.
Kann ich unpolitisch Buchbloggen?
Ich bin der Meinung jeder Blogger/Influencer/Creator/etc. kann seinen Content spätestens dann nicht mehr von Politik trennen, sobald er Werbung oder Empfehlungen abgibt und eine Reichweite hat.
Denn damit hat man die Chance andere zu einer Kaufentscheidung zu bewegen. Wenn man eine Creme bewerben würde, würde man ja auch den Hersteller und die Inhaltsstoffe prüfen? Wieso also nicht auch bei Büchern? Man möchte doch seinen Followern nur gute Empfehlungen geben und möchte selber auch nicht mit problematischen Büchern und Autoren in Verbindung gebracht werden.
Und wie BookTok in den letzten Jahren eindrucksvoll gezeigt hat, beeinflussen Buchblogger deutlich den Buchmarkt. Die Empfehlungen, die wir geben, können den nächsten Hype entscheiden und damit wie viel Geld ein Autor an Tantiemen bekommt, wie viele Buchverträge noch folgen und die nächsten Vorschüsse. Und gerade, wenn beispielweise eine J.K. Rowling öffentlich davon spricht eine Transfeindliche Organisaton zu unterstützen, sollte man doch Überlegen, welche Leute viel Geld und Reichweite haben sollten. Ich persönlich möche niemanden unterstützen, von dem ich weiß, dass er gegen meine moralischen Vorstellungen handelt.
Aus dem selben Grund ist der Satz „Ich trenne Autor und Werk voneinander“ auch absoluter Schwachsinn.
Zusammenfassend möchte ich also auch diese Frage klar mit nein beantworten. Mit Reichweite kommt Verantwortung.
Und ich möchte damit nicht sagen, dass jetzt jeder direkt gecancelt werden soll, der mal unreflektiert über ein problematisches Buch oder einen Autor redet. Jedem kann mal etwas entgehen. Viel eher sollte man nett darauf hinweisen und nicht angreifen. Mit einem Angriff bewegt man Menschen zum Abwehren und nicht zum Umdenken.
Mein Fazit
Lesen ist politisch. Das ist mein Fazit. Bücher sind politisch, lesen ist politisch und auf Social Media über Bücher posten ist auch politisch. Ich empfinde es als unmöglich politische Aspekte einer Geschichte auszublenden, vielleicht funktioniert das für einige, aber für einen Buchblogger kann das ganz sicher nicht funktionieren. Wenn man eine Rezension schreibt oder eine Empfehlung abgibt, geht das nicht, ohne das Gelesene zu hinterfragen.
Wenn man trotzdem ein problematisches Buch lesen möchte, empfehle ich das Buch einfach gebraucht zu kaufen, so gehen keine neuen Einnahmen an den Autor. Und man sollte sich Gedanken machenen, wie oder ob man das überhaupt auf Social Media empfehlen sollte und wenn sollte man auf die Problematik aufmerksam machen.
Man kann sich auch nicht einfach raushalten, man sollte sich äußern und die eigene Reichweite nutzen. Viele Menschen bewegen sich politisch in eine rechte Richtung. Wir haben es schon bei der amerikanischen Wahl und einigen Landtagswahlen gesehen und wenn wir das ändern wollen müssen wir laut sein und uns äußern. Rechtes Gedankengut und die AfD sind keine Alternative und nicht in Ordnung und vielleicht können wir unseren Teil dazu beitragen, dass mehr Menschen das merken.
Vor allem aktuell in einer Situation, in der Bundeskanzlerkanditat der CDU, Friedrich Merz, versucht „Kinderbuchautor“ als Beleidigung zu verwenden, können wir uns als Buchbranche nicht raushalten. Bücher sind ein wichtiges Medium, auch für Kinderbildung und ein gutes Kinderbuch wird nicht von einem dummen Menschen geschrieben. Bei jemanden, der diesen wichtigen Beruf als eine Beleidigung empfindet, frage ich mich welchen Stellenwert Kinder und Bildung bei ihm haben können. Wir alle wissen doch am besten, was uns Bücher geben und in der Kindheit gegeben haben, also sollte uns auch nicht egal sein, wie dieser Stellenwert runtergespielt wird.
Ich muss zugeben, dass ich mich auch viel zu selten äußere, oft habe ich da gar keine Energie zu, aber es ist wichtig und ich werde in den nächsten Monaten auf jeden Fall noch mehr politischen Content machen und habe da schon ein paar Beiträge in Planung.
Lasst mir gerne auch eure Meinung zu dem Thema in den Kommentaren da, so dass wir uns ein bisschen austauschen können.
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